Roger Tallon, geboren 1929 in Paris, gehört zu den wichtigsten und erfolgreichsten Designern Frankreichs. Von der Nachkriegszeit bis zu seinem Tod 2011 war er zentraler Bestandteil der Entwicklung des Industriedesignberufs in Frankreich. Im Laufe seines Lebens war er verantwortlich für die Kreation von mehr als 400 verschiedenen und innovativen Designs, wie des ersten tragbaren Fernsehers oder des preisgekrönten Schnellzuges TGV, wie auch für andere Modelle für Eurostar.
Von 1944 bis 1950 studierte Tallon Ingenieurwesen. Nach seinem Abschluss jedoch nahm er eine Karriere in Design auf. Kurzzeitig arbeitete er als Designberater für Caterpillar und DuPont in Frankreich. 1953 stieg er in die Beraterfirma Technès ein, wo er unter Jacques Viénot (1893 - 1959) und Jean Parthenay (1919 - 2007) arbeitete. Tallon stieg schnell zum technisch-künstlerischen Leiter auf und wurde nach Viénots Tod 1959 zum Direktor des Unternehmens. Er bot gleichzeitig Designberaterdienste an und entwickelte Produkte für mehrere internationale Unternehmen wie Peugeot, Kodak, Fenwick, General Electric und General Motors. Im Jahr 1973 verließ Tallon Technès und gründete seine eigene Designagentur, Design Programmes SA.
Nach Tallons Philosophie entwickelt sich gutes Design eher aus rationalen Problemlösungen, als dem künstlerischen Ausdruck; Ziel des Designs sollte nichts geringeres als gesellschaftlicher Fortschritt sein. Da ihm auffiel, dass sein Beruf in Frankreich nicht sehr bekannt war, bemühte Tallon sich darum, das Wort „Design” in die französische Umgangssprache zu integrieren. In den späten Fünfzigern führte er den ersten französischen Designkurs an der Pariser École des Arts Appliqués für Angewandte Künste ein und daraufhin 1963 die Designabteilung an der École Nationale Supérieure des Arts Décoratifs.
Während der Großteil von Tallons Entwürfen auf technisches Produktdesign ausgelegt war, nahm er hin und wieder auch mehr „künstlerische” Projekte an, wie die Innenausstattung des Garage Nachtclubs für den Filmemacher Raoul Levy im Jahr 1964. Daraus ging die berühmte Module 400 Series hervor, die später von der Galerie Lacloche bis in die siebziger Jahre hinein verkauft wurde.
Auch wenn Tallon außerhalb von Designerkreisen ziemlich unbekannt war, so gehörte er doch immer zu den Vorreitern, wenn es um Innovation ging. Zu den kultigsten Designs Tallons gehören der Japy Typewriter (1958), der Wimpy Chair (1960), der Super Caravelle Refrigerator (1960), der Télévia P111 Portable TV (1963), die TH Staircase (1964, später produziert von Sentou) und die Mobilier National Cryptogamme Stools (1969).
In den späten sechziger Jahren fokussierte Tallon sich vor allem auf Transportdesign: zunächst mit der Mexiko City Metro (1968) und der Montmartre Seilbahn in Paris (1970), später durch seine langjährige Zusammenarbeit mit der SNCF (staatliche Eisenbahngesellschaft Frankreichs). Zu seinen Designs gehören der erste Corail-Wagen (1975) - dessen Namen Tallon selbst in seinem „Comfort on Rail” Konzept geprägt hat - wie auch der TGV Atlantique (1986); der TGV Duplex und der Eurostar (1994). Tallon entwarf das gesamte Innendesign der Züge, bis hin zu den Lichtern und den Uniformen der Mitarbeiter.
Tallon erhielt 1985 den französischen Nationalpreis für Industriedesign und 1992 das Abzeichen des „Commandeur des Arts et des Lettres” des Präsidenten von SNCF. 2008 spendete er all seine Akten und Aufzeichnungen - darunter Skizzen, technische Pläne, Fotografien und Patentanmeldungen - an „Les Arts Décoratifs” in Paris, das 2016 eine große Tallon Retroperspektive aufstellte.
Tallon verstarb im Jahr 2011.
* Bilder mit freundlicher Genehmigung von Les Arts Décoratifs